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CHRONOLOGIE EXPERIMENTE

Unter|scheidung

Zeit.Raum.Wiederholung.

„Die Unter|scheidung Zeit und Raum“ war das Thema, zu dem Stella Veciana und ich uns im Frühjahr 2014 austauschten und auf der Forschungsplattform Research Arts eine Textcollage erstellten, parallel oder auch quer zu lesen.

Während Stella Veciana den Raum unter | scheidet von der  3D Körpererfahrung bis hin zu Nano-Topologien, folge ich der zeitlichen Unter|scheidung, die in der Wiederholung liegt.

„Wiederholen heißt sich verhalten, allerdings im Verhältnis zu etwas Einzigartigem oder Singulärem, das mit nichts anderem ähnlich oder äquivalent ist. Das Geschäft des Lebens besteht darin, alle Wiederholungen in einem Raum koexistieren zu lassen, in dem sich die Differenz verteilt.“

Gilles Deleuze, Differenz und Wiederholung, 1997, 2.Aufl. München, Fink, S. 15;12

In 3 Phasen der Wiederholung tritt die  Zeitlinie meiner individuellen Rituale und Erinnerungen  hinter die Gleichzeitigkeit der seriellen Wahrnehmung zurück, verliert sich im viralen copy and paste, um in endlosen Schleifen des re-edit sich zu wiederholen.

Erste Phase der Wiederholung: sich im Fremden wiedererkennen

Ein fremder Ort. Das Gefühl von Fremdheit, aber gut. Neu-Gier auf das, was ich noch nicht kenne. Bevor ich zur Erkundung aufbreche, der Blick in den Spiegel.

Und ein (erstes) Foto: Ich im Spiegel, bisweilen von der Kamera verdeckt, immer zu sehen ist, wie ein Rahmen, die Umgebung. Der Beweis, ich bin hier.

Wiedergeholt im Blick auf das Foto, später, irgendwann, die Erinnerung: dort war ich.

Im Augenblick vergegenwärtigt, doch so flüchtig wie zuvor das Spiegelbild, vorbei, vergangen.

Ein weiterer fremder Ort, eine andere Zeit, Wiederholung desselben Ablaufs: Erregung durch das Fremde, Blick in den Spiegel, Fotografieren.

Ein Schwanken zwischen dem Verdruss von Routine – du musst noch das Foto machen – und der Wahrnehmung, dasselbe ist dieses Mal anders.

Zweite Phase der Wiederholung: in Serie gehen


Setting: Fremder Raum, Spiegel, Ich, Kamera.

Das Raster des Wieder-Holens tritt hervor, jenes Spiel der Differenzen, das mit den Unterschieden zugleich die Überschneidungen erkennen lässt.

Meine Zeitlinie der individuellen Erinnerung verschwindet hinter der Gleichzeitigkeit einer seriellen Erscheinung.

Dritte Phase der Wiederholung: Ver-teilen

Ich teile meine Fotos. Der gemeinsame Abend mit Freunden und Reiseerzählungen wird ergänzt oder ersetzt durch das sharing der Fotos im sozialen Netzwerk.

Einem viralen Verlauf der Verbreitung überlassen, erreichen meine Fotos längst nicht mehr nur Freunde und Bekannte. Die Schwelle des Privaten wird zum Öffentlichen überschritten.

Und die Fotos können über das Betrachten hinaus re-editiert, in andere Kontexte eingebunden werden. Wiederholung wird zur Aneignung, zum copy and paste.

Es eröffnet sich die Differenz vom Bekannten zum Möglichen, von der Zeitlinie persönlicher Erfahrung zum zeitlosen Möglichkeitsraum.

Die Fremdheit, die am Anfang jeder Wiederholung stand und im Foto mein Selbstbild im Spiegel als Rahmen umgab, setzt sich fort: als „selfie“ verliert sich mein Foto, meine Erinnerung in der Fremdheit des Netzes.