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CHRONOLOGIE EXPERIMENTE

ABWEICHENDE LINIE | ein schreibexperiment auf twitter

Seit Anfang Juli schreiben Angela Grasser und ich eine Geschichte auf twitter:

Entstanden ist die Idee beim Blick aus dem Fenster der Skalitzer140_temporary,  einer temporären Galerie. Im 1.Stock eines Wohnhauses gelegen, ist die Galerie auf derselben Höhe wie die U-Bahn, die als Hochbahn die Skalitzer Straße entlang fährt:

  • Der Raum, der still steht und der Raum der sich bewegt, spiegeln sich in den Scheiben und verschmelzen ineinander. Und dazwischen bin ich, die ich mich nach dem Stillstand an diesem Ort weiter bewege, fort zum nächsten Ort: ich wechsle in die U-Bahn, in deren Bewegung ich zum Stillstand komme bin bis hin zum nächsten Ort … :
  • Der U-Bahn Linie folgend, entsteht die Linie einer Geschichte. Sie wird zugleich vom Gegenpol eines festen Ortes aus entwickelt, an dem allein der Blick auf die U-Bahn und die Geschehnisse herum in Bewegung ist und eine eigene Linie zeichnet. Beide Linien weichen voneinander ab und verschränken sich zugleich in der Geschichte zum Folgen.

Für die Perspektive von einem festen Ort aus ist mir als Schreibende sofort Angela eingefallen: Sie wohnt im obersten Stockwerk des Bonjour Tristesse mit Blick von oben auf die U-Bahn. Dabei ist ihr Blick von ihrer künstlerischen Arbeit als Zeichnerin geprägt.

Eine Geschichte zwischen Kotti und Bonjour Tristesse

Doch: Warum auf Twitter schreiben?

Twitter erscheint mir als Format adäquat und herausfordernd zugleich:

  • Die Vorgabe von maximal 140 Zeichen für einen tweet spiegelt mit dieser Kürze die gleichfalls kurze Aufmerksamkeitsspanne im urbanen Alltag wider.
  • Beim Schreiben ist eine hohe Prägnanz gefordert, das Feilen an Worten und Zeichen.
  • Jeweils am späten Vormittag geposted, folgen die tweets im Wechsel aufeinander, der aktuelle zuoberst: Auch das  entspricht Tempo und Kurzlebigkeit von Nachrichten aus dem Alltag.

Dennoch – eine Geschichte auf Twitter zu schreiben  bleibt ein Experiment: denn werden die LeserInnen folgen (können)?

Wer von Anfang an dabei ist, erhält beim Nur-Lesen wie beim Folgen die tweets in der Abfolge der Geschichte. Wer später einsteigt oder nochmals die Linie verfolgen will, muss auch das abweichend, von unten nach oben lesend machen. Beim Folgen vermischen sich die Tweets mit den anderen, denen man folgt – es ist ratsam, sich eine Liste für die tweets der Geschichte anzulegen.

Wir wollen 6 Wochen lang schreiben, jetzt nach 4 Wochen haben wir 24 Follower und etliche Nur-LeserInnen. Das Schreiben macht inzwischen so viel Spaß, das wir es noch länger fortsetzen könnten. Für die Geschichte halten wir aber ein Ende für besser, das allerdings offen bleibt, um die Geschichte als „perpetual beta“ zu re-editieren und auch fürs Mitschreiben zu öffnen.

Mehr Informationen und ein Archiv, das nicht der timeline auf twitter entspricht, sondern dem gewohnten Lesen findet sich auf der Website zum Projekt.