Zwischen Kotti und Bonjour Tristesse
Die U-Bahn-Linie fährt wie immer, doch als V. einsteigt, spürt sie, dieses Mal könnte es anders sein.
Aus einer 6.Etage über einer großen Kurve schaut jemand aus dem Fenster.
Eine Geschichte zwischen Kotti und Bonjour Tristesse.
Es schreiben ^^ und °°.
Täglich. Vormittags.
Ein Experiment in 140 Zeichen.
Auch abweichend zu lesen: Von unten nach oben.

Kotti

Bonjour Tristesse
Im Sommer 2011 haben Angela Grasser und ich eine Geschichte auf twitter erzählt:
Entstanden ist die Idee beim Blick aus dem Fenster der Skalitzer140_temporary, einer temporären Galerie. Im 1.Stock eines Wohnhauses gelegen, ist die Galerie auf derselben Höhe wie die U-Bahn, die als Hochbahn die Skalitzer Straße entlang fährt:
Der Raum, der still steht und der Raum der sich bewegt, spiegeln sich in den Scheiben und verschmelzen ineinander. Und dazwischen bin ich, die ich mich nach dem Stillstand an diesem Ort weiter bewege, fort zum nächsten Ort: ich wechsle in die U-Bahn, in deren Bewegung ich zum Stillstand komme bin bis hin zum nächsten Ort.
Der U-Bahn Linie folgend, entsteht die Linie einer Geschichte. Sie wird zugleich vom Gegenpol eines festen Ortes aus entwickelt, an dem allein der Blick auf die U-Bahn und die Geschehnisse herum in Bewegung ist und eine eigene Linie zeichnet. Beide Linien weichen voneinander ab und verschränken sich zugleich in der Geschichte zum Folgen.
Für die Perspektive von einem festen Ort aus ist mir als Schreibende sofort Angela eingefallen: Sie wohnt im obersten Stockwerk mit Blick von oben auf die U-Bahn. Dabei ist ihr Blick von ihrer künstlerischen Arbeit als Zeichnerin geprägt.
Wir haben 6 Wochen lang geschrieben. Die Geschichte hatte ein offenes Ende.

Im Frühjahr 2013 gab es eine Fortsetzung.
Anders als in der ersten Version gibt es eine durchgehende Erzähllinie. Auch die Ereignisse sind abweichend: Um Routine, Ruhe geht es der Person PJ auf ihrer alltäglichen Bewegung entlang der U-Bahn Linie. Nicht auf der Suche (wie zuvor Person G) nach außen gerichtet, sondern auf Rückzug nach innen gerichtet, nimmt PJ Raum, Zeit und Bewegung wahr.
Öffnung ist Störung, dennoch unvermeidlich und notwendig für BITTE LEBN, wie es inzwischen blutrot neben dem verblassten “Bonjour Tristesse” auf der düsteren Hauswand zu lesen ist. Damit findet die Geschichte ein abruptes Ende .
Warum auf Twitter erzählen?
Twitter erschien mir als Format adäquat und herausfordernd zugleich:
//Die Vorgabe von (damals noch) maximal 140 Zeichen für einen tweet spiegelt mit dieser Kürze die gleichfalls kurze Aufmerksamkeitsspanne im urbanen Alltag wider.
//Beim Schreiben ist eine hohe Prägnanz gefordert, das Feilen an Worten und Zeichen.
//Jeweils am späten Vormittag geposted, folgen die tweets im Wechsel aufeinander, der aktuelle zuoberst: Auch das entspricht Tempo und Kurzlebigkeit von Nachrichten aus dem Alltag.
Dennoch – eine Geschichte auf Twitter zu schreiben bleibt ein Experiment: denn werden die LeserInnen folgen (können)?
Wer von Anfang an dabei ist, erhält beim Nur-Lesen wie beim Folgen die tweets in der Abfolge der Geschichte. Wer später einsteigt oder nochmals die Linie verfolgen will, muss auch das abweichend, von unten nach oben lesend machen. Beim Folgen vermischen sich die Tweets mit den anderen, denen man folgt – es ist ratsam, sich eine Liste für die tweets der Geschichte anzulegen.
Die Ideen. die das Projekt inspirierten, stellte ich am 05.April 2013 zum re-start auf der Konferenz „Performative Philosophie – Denken im Modus der Kunst“ im Rahmen der WEDDING SESSION vor, die eingeladen hatte zum ” Wechselspiel von Motiven aus Kunst und Philosophie, das sich im Gespräch entwickelt.”